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Zäppu
Biography
ZÄPPU BRINGT I-TÄTSCH
Text: Ko:L
Bild: Cover
Warum bringst Du als heimlicher Guitar-Hero auf „i-Tätsch“ nicht 75 Minuten lang nur Gitarren?
Ich versuchte schon vor 20 Jahren auf meinem Atari, die Freak-Idee meiner Musik umzusetzen. Aber ich konnte sie nicht umsetzen, weil der Computer all dies nicht verkraftete, was ich ihm füttern wollte. Zudem tönte das ganze nach PC-Game und Computer und nicht nach Musik.
Warum musste es Computer sein und keine Gitarre?
Ganz früher wollte ich schon mit Gitarrensounds arbeiten. Aber ich bin heute auch nicht mehr so spielgewandt wie früher, als ich noch regelmässig spielte und übte. Deshalb habe ich mich da nicht mehr so stark ausgelassen. Kommt hinzu, dass sich über die Jahre eine Art Hassliebe zur Gitarre entwickelt hat. Wenn Du den ganzen Tag Gitarren im Ohr hast wie ich in meinem Gitarren-Lädeli UNISONO, brauchst Du das nicht auch noch am Abend. Wie der Konditor, der Z'nacht auch keine Crèmeschnitte mehr essen mag.
Warum hast Du dir mit dem Umsetzen trotzdem so lange Zeit gelassen?
Später konnte ich mein Hobby zum Beruf machen und mir ein eigenes Geschäft aufbauen. Da fehlte schlicht die Energie, um nebenbei noch ein grosses Projekt anzureissen. Kommt dazu, dass meistens wenn die Energie fehlt, auch das Geld fehlt. Und wenn man ein Studio hätte mieten wollen, hätte man immer noch 1000 Franken pro Tag rechnen müssen.
Wie lange hast Du an der CD gearbeitet?
Gut ein halbes Jahr.
Wie ist „i-Tätsch“ entstanden?
Im Oktober 2009 kaufte ich mir einen neuen Computer. Mein Freund und Gitarrist Zlatko Slädu Perica erklärte mir einen Nachmittag lang, wie man damit Sounds aufnimmt. Ich lud auch meinen Kollegen Markus Jaun, der selber ebenfalls Gitarre spielt und produziert, zu mir nach Hause ein. Er zeigte mir, Tipps und Tricks, um Musik digital aufzunehmen. Vor allem zeigte er mir auch, wie man gewisse Prozesse automatisieren kann. Schliesslich arbeitet man heute ja mit einem virtuellen Mischpult... Ich legte los – und machte ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann.
CD-Cover: Zäppu - i-Tätsch
Wie kann ein Mann mit Deinem Musik-Wissen alles falsch machen?
Ich dachte noch in analogen Mustern. In der analogen Aufnahmetechnik geht es darum, die Signale so zu verstärken, dass sie möglichst auf die 0dB-Marke kommen. Schichtet man die verschiedenen Spuren analog zusammen, sinkt der Lautstärke-Pegel. Digital läufts gerade umgekehrt. Da verstärken sich die Signale. Die Folge war, dass meine Aufnahmen allesamt viel zu laut waren.
Hat's dann mit dem zweiten Anlauf geklappt?
Ich war in dieser Zeit fast ein wenig süchtig nach meiner Bastelei und sass praktisch jeden Abend am PC, um weiter zu tüfteln und voran zu kommen. Ich versuchte nun, all die Elemente und Fragmente, die ich schon aufgenommen hatte, zu mixen, zu arrangieren und mit den Automatisationen schön zu gestalten mit Höhen und Tiefen oder Links-/Rechts- und anderen Effekten. Dann zeigte ich das Resultat voller Stolz TJ Gyger, der im Berner Oberland selber ein Studio hat und in den verschiedensten Segmenten als Produzent und Musiker erfolgreich arbeitet. Seine Antwort war niederschmetternd: „Aues lätz, Zäppu, das isch nid so guet, was du da hesch gmacht...!“
Nach den ersten Anläufen hats nur Kritik gehagelt. War das nicht frustrierend?
Doch, ich war ziemlich frustriert. Ich hätte die Leute rund um mich, die all das Wissen haben, viel früher um Rat fragen sollen und nicht einfach immer alles selber machen wollen. Doch ich machte weiter und kam in einen richtig guten Flow.
Wann hast Du dich entschieden, aus Deinen musikalischen Experimenten eine CD zu machen?
Eigentlich ist es ja peinlich: Meine 17-jährige Tochter hat letztes Jahr ihre erste CD gemacht und veröffentlicht – und der Alte hats ein Leben lang nicht geschafft. Als ich dann im Februar, März wieder schön in Schwung kam, dachte ich mir: Jetzt will ich eine CD machen, die ich meiner Frau zum 20. Hochzeitstag schenken kann.
Was brauchte es alles, um aus den musikalischen Ideen eine CD mit 13 Stücken werden zu lassen – und das in nur rund vier Monaten?
Plötzlich gings Schlag auf Schlag. Zusammen mit Raffi Espinoza, der bei mir im Unisono Gitarrenlehrer ist und die CD meiner Tochter Marina mitproduziert hat, begleitete mich in dieser Phase intensiv, vor allem was Strukturen der Songs betrifft. So erklärte er mir ausführlich, wie man Midi- und analoge Elemente zusammensetzt. Claudia Bosshardt gestaltete noch ein tolles Cover aus den geilen Eier-Bildern, die Minu Zuber schon früher für mich geschossen hatte. Gleichzeitig verfeinerte TJ das Ganze und schaute, dass alles bei der Suisa korrekt angemeldet ist und „i-Tätsch“ auch auf i-Tunes kommt.
Ist „i-Tätsch“ die Essenz von mehr als drei Jahrzehnten musikalischem Schaffen? Nicht nur von innen, mit eigenen Ideen, sondern auch von aussen, mit Freunden, die die Entstehung ermöglicht oder vereinfacht haben?
In einem gewissen Sinn. Ich bin natürlich in einem riesigen musikalischen Netz drin. Auch wenn ich es für „i-Tätsch“ nicht wahnsinnig strapaziert habe, so ist dieses Netz doch Teil davon geworden. Aber man könnte das Ganze natürlich noch viel stärker ausreizen. Denn: Ich bin 50 immer noch ein Greenhorn, was die Produktion einer CD angeht. Ich hab nur mit Leuten zu tun, dies mit mehr oder weniger Erfolg gemacht haben, selber aber vorher nie getan.
Welche Instrumente sind auf der CD zu finden?
Viel Computer und wenig Gitarre. Aber am Computer hatte ich natürlich eine unendliche Auswahl an Sounds, Vocals und Instrumenten. Für mich ist das wie eine Caran d'Ache-Farbschachtel. Früher hattest Du die sechs Grundfarben Gelb, Rot, Blau und Grün plus Weiss und Schwarz. Heute kriegst du Millionen von Farb-Nuancen dazwischen – der ideale Spielplatz für ganz wilde Leute. Ich kombinierte Didgeridoo mit Dudelsack, es hat etwas Blues, Reggae, ich wollte was machen wie Stefan Raab mit seiner TV-Band, dann wieder was Orchestrales. Kontrabass, Schwere Synthi-Bässe, verstaubtes Klavier, HipHop-Beats, Grossstadsamples mit zerbrechlichen Frauenstimmen, Xylophon, Chinesische Flöten, Bluesharp, Blues, Funk, Pop, New Wave – und sogar ein wenig Jazz – auf „i-Tätsch“ gibts alles!
Ist „i-Tätsch“ das Produkt des Kindes im Manne?
Extrem. Wieder mal spielen dürfen, ohne Kompromisse mit Bandmitgliedern eingehen müssen, nicht darüber diskutieren ob dieser Bass jetzt zu laut oder zu leise oder zu intellektuell ist – einfach machen, spielen, basteln. Immer wieder hat auch der Zufall mitgespielt. An einem Abend habe ich mir vielleicht vorgenommen, einen Krimi zu machen – und dann ist trotzdem eine Liebesgeschichte entstanden. Ich bin ganz einfach und unbekümmert an die Sache ran. Am Ende kam eben ein Eiertätsch raus und keiner weiss, ob das Ei von einem weissen oder einem braunen Huhn kam und obs einen Hahn oder eine Henne hätte geben sollen...
Wie sind die Stücke entstanden?
Ganz verschieden – alle haben und sind eine ganz eigene Geschichte. „Irdendwie Kakke“ kam etwa zu Stande, weil mein Kumpel Tom Wenger mal sagte, meine Songs hätten keine Gitarren, sondern seien nur so Synthi-Zeugs. Also machte ich ihm einen mit Gitarre – und vermischte eine brutale Metal-Gitarre mit Mönchsgesang. „Friedli“ hingegen ist mein „Büro-Frölein“, der für mich die ganze Installation und Pflege meiner Computer macht. Er war bei mir, um meinen „Fenster-PC“ zu arbeiten. Weil mir langweilig war, fing ich an, an meinem „Apfel-PC“ an einem neuen Projekt rumzubasteln. Er fragte mich, wie das gehe mit dem Aufnehmen. Zehn Minuten später stand das Grundgerüst für den Song. Ich fragte ihn, welche Art Musik er haben möchte, er meinte „öppis Rockigs“ und so habe ich was Rockiges gemacht. Ganz anders „Ohne Drum... Drum!“: Da wollte ich wirklich mal einen Song ohne Schlagzeug machen. Der wurde dann aber so traurig, dass ich trotzdem ein Schlagzeug einbauen musste, damit er ein Raster kriegt, das die Traurigkeit ein wenig durchbricht. „Kuuul Beibiii (Michi Selig)“ und sein Wolfs-Geheul musste einfach sein, weil ich mich irgendwie auch von Jackson verabschieden wollte. „Blues mi doch“ hat mich am Ende noch ziemlich gevögelt. Ich wollte unbedingt 13 Songs auf dem Album, weil 13 meine Lieblingszahl ist. So dachte ich, „machsch no schnäu e Blues“, eigentlich das Einfachste vom Einfachen. Am Ende hatte ich 60 Spuren, löschte einen Tag vor dem Abgabetermin wieder 40 davon und schusterte in weiteren fünf Stunden das Endprodukt zusammen – völlig übermüdet und kaputt. Beim einen hatte ich Durst, beim anderen sonst was. Einen roten Faden suchst du vergeben.
Du sprichst konsequent nicht von Songs oder Liedern. Was hören wir dann auf „i-Tätsch“, wenn es keine Lieder sind?
Es sind Geschichten, die ich erzählen möchte. Klassische Musik kennt böse gesagt Liedli wie Plüsch mit „Heimweh“ auch nicht, in denen nach 30 Sekunden klar ist, worum es geht und wohin es führt. Auf „i-Tätsch“ passiert Unvorhergesehenes. Wenn Du mit dem Gummiboot die Aare hinab fährst, kommt irgendwann die Welle in Uttigen. Wer die nicht kennt, wird durchgeschüttelt. Für den, der die Welle kennt, ist es normal, dass es dort ein wenig rumort.
Warum sind die meisten Tracks denn so verschachtelt und komplex?
Weil ich allen voran das Zappatische sehr liebe! Oder auch Film-Musik. Ich bin nicht nur um der hübschen Schauspieler wegen ein Lost-Junkie. Sondern auch wegen dem Soundtrack, der sehr interessant auf die Bilder hin gestaltet ist.
Wirst Du Filme zu seinen Stücken machen?
Ich selber nicht unbedingt. Aber wenn es irgend eine Möglichkeit gäbe, Freaks zu finden, welche diese Tracks auch bildlich umsetzen und verfilmen würden, würde ein grosser Wunsch von mir in Erfüllung gehen. Dann wäre „i-Tätsch“ nicht nur Stereo, sondern noch um eine Dimension reicher. Dabei denke ich nicht an MTV-Videos, sondern an kleine Geschichten oder eben auch Collagen. Und ich will da überhaupt nicht Regie führen. Ich habe das bei der Musik getan. Jetzt solls jemand fürs Bild tun. Zu sehen, wie sich Leute, die sich mit Bildern auseinandersetzen, diesen Stücken annähern, wäre wahnsinnig interessant.
Für wen hast du das Album gemacht?
Für mich. Ich habe noch tausende von Bändern, die ich irgendwann mal digitalisieren will – einfach, dass ich sie habe. Just for fun! Heute kann jeder Jodlerverein und jeder Kinderchor eine CD machen – deshalb wollte ich auch eine haben! Und wer weiss, vielleicht mach ich noch zehn Stück in Vinyl... einfach, damit ich neben Tausenden anderen Titeln auch was von mir selber in meiner Plattensammlung habe.
Bist du Narzisst?
Ja, ich bin Narzisst.
Wie kann ein Narzisst, der eigentlich nur auf sich selber schaut, Geschichten aus seinem Umfeld erzählen?
Auch um den grössten Narzissten herum passieren Geschichten, sobald er sich in irgend einem Umfeld bewegt. Jeder erlebt jeden Tag irgendwas. Ich komme wieder auf Lost: Da hast Du all die kleinen und grossen Geschichten, verpackt in schöne und interessante Bilder, gespielt von schönen und interessanten Schauspielern und untermalt von spannender Musik. Sowas ist für mich Zeitgeist. Ein 3'30-Liedli ist kein Zeitgeist. Schon früher verleideten sie mir, wenn ich sie mehr als zwanzig Mal spielen musste. Sie haben für mich keine Spannung...
Ist „i-Tätsch“ Kunst?
Nein.
Ist „i-Tätsch“ keine Kunst, weil kein Konzept dahinter steht? Oder könnte die CD trotzdem gerade deshalb Kunst sein?
Wo beginnt Kunst? Diese Frage stelle ich mir immer, wenn ich Bilder ansehe, die ich nicht verstehe. Es gibt Leute, die bezeichnen „Looking for freedom“ als Kunst. Wäre der Song ein Bild, würde etwas sehen, das in meinen Augen eine Kinderzeichnung ist. Das ist mit Musik genau gleich. Was Kunst ist und was nicht, muss jeder für sich selber entscheiden.
Wenn 3'30''-Songs, schlicht und simpel aufgebaut, keine Spannung haben, dann ist „i-Tätsch“ Jazz und Zäppu ein Jazzer, der stets möglichst alles anders und nicht zweimal gleich machen will?
Nun, die CD ist fix, so wie sie ist und immer gleich. Die kann man auch nicht live spielen. Soviele Instrumentalisten und Vocals – das kann man gar nicht bezahlen. Das ist wie einer, der ein Büchlein geschrieben hat. Das ist – wie Lost auch – einmal einfach fertig. Das hört man und sieht man durch, dann ist es fertig.
In dem Fall war das Kapitel „i-Tätsch“ für Dich in dem Moment beendet, als die fertige CD zu Dir nach Hause geliefert wurde, Du sie geöffnet und in den CD-Player geschoben hast?
Ja. „i-Tätsch“ ist für mich jetzt eigentlich abgeschlossen. Jetzt kann ich mich hinter das nächste Projekt machen. Ich wollte eine CD, jetzt habe ich sie. Fertig.
Was machst Du jetzt, wo du keine CD hast, an der du basteln kannst – und Lost auch nicht mehr?
Jetzt gehe ich vielleicht an etwas Organischeres. Ich habe mit der digitalen Musik so viele Erfahrungen gesammelt, dass sich mir ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, mit den Gitarrenlehrern des Unisono was zu machen; etwa, dass jeder einzeln sich präsentieren kann, damit man sieht, was unsere Lehrer alles können. Ich habe so viele begnadete Musiker um mich, mit denen ich gerne mal hier mal da eine Session machen würde. Ähnlich, wie Zappa es in den 70ern machte, als er Leute ins Studio einlud, die über irgendwelche Sounds spielten – am Ende aber in einem anderen Song auftauchten. Das ist heute viel viel einfacher als damals. Jetzt, wo ich das Programm in Ansätzen bedienen kann, fühle ich mich auch sicherer und wage mich an grössere Sachen. Die nächste CD wird kommen – vielleicht mit noch mehr Eiern.
Wirst Du erst nach 30 Jahren Deinem Rufnamen „Zäppu“ gerecht?
Vielleicht... Aber ich möchte mich nie mit Zappa vergleichen. Auch nicht nur einen Millimeter. Das wäre, wie wenn ich mit Cancellara Fäbu Radfahren wollte. Radfahren kann ich auch ein wenig. Aber nicht ansatzweise so schnell oder so lange. Was ich mache, ist Bonsaibonsaibonsai... Aber: Es ist bestimmt frech, nach nicht einmal einem halben Jahr Arbeit eine CD rauszugeben.
www.unisono.ch
http://www.trespass.ch/Web/de/Bands_A-Z/U/Unisono/Zaeppu_bringt_iTaetsch.htm